Sabine Leidig
Zurück zur Seite

Redetext

Artikel
Umverteilen für (Klima-)gerechte Verkehrsverhältnisse!
13. März 2020
Erschienen in
Auf die Frage, was ihnen mit Blick auf die zukünftige Entwicklung des Verkehrs am wichtigsten ist, sagen 10% „wirtschaftliche Entwicklung und Wettbewerbsfähigkeit“, 40% „vor allem kostengünstig und bequem Wege zurücklegen“ und 50 % wollen „Umwelt und Klima möglichst wenig belasten“ (!). Die Zeit ist reif für eine ganz andere, eine sozial-ökologische und demokratische Verkehrspolitik.

Eigentlich ist völlig klar, was passieren muss. Neben dem Ausstieg aus fossiler Energie brauchen wir eine soziale und ökologische Verkehrswende mit autofreien Innenstädten, Platz für Radfahrer*innen und Fußgänger*innen und: mehr und bessere „Öffis“ für alle bezahlbar, so dass niemand auf ein eigenes Auto angewiesen ist.

Derzeit aber fließen 80 Prozent aller öffentlichen Ausgaben in den Straßenverkehr – und das kommt die Gesellschaft teuer zu stehen! Der Verkehrs verursacht insgesamt enorme externe Kosten (die nicht durch Einnahmen gedeckt sind): Unfallfolgen, Umweltkosten, Energieproduktion usw. – in Deutschland beläuft sich die Summe auf etwa 120 Milliarden Euro laufen jährlich! Dabei schlägt jeder gefahrene Autokilometer mit fast 11 Cent zu Buche, Bus und Bahn zwischen 2 und 4 Cent … jeder Fahrradkilometer allerdings spart (Gesundheits-)kosten.

Auch in den Kommunen ist häufig nicht klar, wie viel Verkehr eigentlich kostet. Im Rahmen des EU-Projektes SIPTRAM wurden 2005 kommunale Haushalte analysiert – mit überraschenden Ergebnissen: Die Ausgaben öffentlicher Verwaltungen für den Autoverkehr werden stecken nicht nur im Bau von Straßen – es viele versteckte Kosten. Die höchsten Ausgaben entfallen auf den Unterhalt und Bau von Parkplätzen, auf Straßenreinigung, Straßenbeleuchtung und Straßenentwässerung. Darüber hinaus sind erhebliche Mehraufwendungen bei Feuerwehr, Polizei, Wirtschaftsförderung, Grünflächenämtern und städtischen Bauhöfen durch den Autoverkehr bedingt. Je nach Kommune sind aber nur 15 bis 45 Prozent der Ausgaben durch Einnahmen gedeckt. Jede*r Bürger*in finanziert somit indirekt den städtischen Autoverkehr mit durchschnittlich 150 Euro pro Jahr mit.

Der Kostendeckungsgrad ist beim ÖPNV deutlich höher – finanziert durch die Fahrscheineinnahmen. Durchschnittlich ist der Autoverkehr für die Kommunen dreimal teurer als der ÖPNV … trotzdem wird fast immer nur über diese Kosten lamentiert. Höchste Zeit damit aufzuhören. Statt dessen brauchen wir eine neue Straßenverkehrsordnung, damit die Kommunen mehr Möglichkeiten haben, Parkraum zu bewirtschaften und Unternehmen mit Nahverkehrsabgaben an der Finanzierung öffentlicher Mobilität zu beteiligen.

 

Geld ist genug da!

Auf Bundesebene müssen die umweltschädlichen und sozial ungerechten Verkehrssubventionen abgebaut werden. Das Bundesumweltamt errechnet eine Summe von über 20 Milliarden Euro pro Jahr. Wenn Dieselkraftstoff genauso besteuert würde wie Normalbenzin wären mindestens sieben Milliarden Euro mehr im Steuersäckel; wenn endlich auch der Luftverkehr im Inland Energiesteuer auf den Treibstoff (Kerosin) zahlen müsste, wären es nochmal mindestens sieben Milliarden; und ohne das Dienstwagenprivileg noch drei … also rund 17 Milliarden. Außerdem sind noch immer riesige Infrastrukturinvestitionen für mehr und breitere Bundesstraße und Autobahnen vorgesehen. Das ist unsinnig. Mindestens 10 bis 15 Milliarden Euro pro Jahr könnten ohne Problem in Alternativen investiert werden. Dazu kommt zum Beispiel die Forschungsförderung: von 5.000 mit Bundesmitteln geförderten Forschungsprojekten im Verkehrsbereich sind weniger als 150 dem ÖV zu Gute gekommen – fast alles nützt der Automobilindustrie. Umgekehrt würde ein schlauer Schuh daraus. Es ist nicht in Ordnung, dass die Bundesregierung hunderte Millionen Euro für Elektroautos ausgibt: Forschungsprogramme mit denen batteriegetriebe Porsche-Luxusschlitten entwickelt werden. Wir brauchen statt dessen mehr Zuschüsse für Elektrobusse im Stadtverkehr! Und statt (Elektro-)Auto-Besitz mit Kaufprämien anzureizen, sollten diejenigen Prämien bekommen, die den Pkw gegen eine Bahncard-100 eintauschen.  Es ist möglich, den „Öffis“ einen ordentlichen finanziellen Schub zu geben. Und es ist nötig!

 

Für Gute Arbeit und eine Beschäftigungsoffensive

Viele Beschäftigte im ÖPNV sind am Limit: zu wenig Zeit, zu wenig Unterstützung, zu wenig Kolleg*innen, zu wenig Mitzureden. Immer wieder bleiben Busse und Bahnen wegen Personalmangel stehen. Nicht nur die Deutsche Bahn ist auf der Suche nach Fahrer*innen, Servicepersonal, Techniker*innen usw. (25.000 neue Mitarbeiter*innen sollen allein in diesem Jahr gewonnen werden). Allein um den Status quo aufrecht zu erhalten sind zigtausende Stellen neu zu besetzen in den nächsten Jahren. Aber für eine  Mobilitätsgarantie auch in ländlichen Regionen und für die Verdoppelung von Öffi-Angeboten in den Ballungsräumen sind sehr viel mehr Menschen nötig, die hier sinnvolle und Arbeit finden unter guten Bedingungen. Auch im Fahrzeugbau, wo es längst peinliche Engpässe gibt. Auf der anderen Seite zeichnet sich eine Beschäftigungskrise in der Automobilindustrie schon ab: Überkapazitäten, Fusionen neue Konkurrenten… der Arbeitsplatzabbau hat mit dem „Aus“ für Leiharbeiter*innen bereits begonnen.

Damit die Mobilitätswende sozial gerecht gelingen soll, braucht es einen Umbauplan – ähnlich dem Plan für den Kohleausstieg: Zeitablauf und Kosten für den Auf- und Ausbau alternativer Industrien, Dienstleistungen und also von Arbeitsplätzen zur Umsetzung gesellschaftlicher Entwicklung und sozialer Sicherheit. Bund und Länder sind gefordert, Beschäftigungsbrücken zu bauen: mit Öffi-Offensiven, langfristiger und auskömmlicher Finanzierung und Verbindlichkeit für gute Arbeitsbedingungen. Weg vom Privatisierungskurs: öffentlicher Verkehr muss am Gemeinwohl ausgerichtet sein und nicht an neoliberalen Marktgesetzen.

 

Gemeinsam wirkmächtiger werden

Mit Fridays for future und der gesellschaftlichen Klimaschutzbewegung hat auch der Verkehrssektor eine Politisierung erfahren … es ist umkämpft, wohin die Reise geht. Der weltgrößte Autokonzern VW puscht seine SUV-Offensive; Porsche lässt sich für eine Elektrorakete feiern und für die Luxuskarossen von Tesla werden rote Teppiche ausgerollt. Die politische Rechte polemisiert gegen die Verkehrswende: neu die CSU-Aktion gegen „Verbotswahn“ (Tempolimit auf Autobahnen) – begrüßt von AfD, die den Diesel verteidigt und gegen Gängelung der Autofahrer zu Felde zieht.

Wo mächtige Interessen im Spiel sind, ist eine breite gesellschaftliche Allianz und Dynamik nötig, um eine Regierung zu neuen Weichenstellungen zu bewegen: Eine Allianz für solidarische Mobilität.
Aus Gewerkschaften, (kommunale) Initiativen, Umweltverbänden, Klimagerechtigkeitsbewegung, Attac, Sozialverbänden, Wissenschaftler*innen, Künstler*innen, Bildungsarbeiter*innen , Ingenieur*innen, Stadtplaner*innen, Kommunen, öffentliche Verkehrsunternehmen …. und die Gutwilligen aus befreundeten Parteien. Die LINKE bringt sich in den Parlamenten und in der Gesellschaft nach Kräften ein.